Die fetten Jahre sind vorbei

Lang, lang ist's her, als ich den ersten Film von Hans Weingartner, das weiße Rauschen, gesehen habe. Drei Jahre sind seitdem vergangen, und jetzt hat Hans Weingartner in Die fetten Jahre sind vorbei wieder Daniel Brühl vor die Kamera gezerrt. Ich verstehe es eigentlich nicht, warum Daniel Brühl immer Jugendliche spielen darf, die keine Freundin abgekriegt haben, aber das ist eine andere Geschichte.

Was nehme man für eine guten Filme? Also, als erstes Jan (Daniel Brühl), dann Peter (Stipe Erceg, sieht aus wie ein junger Mads Mikkelsen) und seine Freundin Jule (Julia Jentsch). Alle drei sind auf der nicht ganz so positiven Seite unseres kapitalistischen Systems angesiedelt, sprich sie haben massive Geldprobleme. Auf der anderen Seite steht Justus Hardenberg (Burghart Klaussner) mit einem Jahresverdienst von 3,4 Mio. Euro. Als Locations nehmen wir eine Berghütte in Tirol und wat? Berlin natürlich.

Eigentlich ist es eher nebensächlich, dass Peter und Jan nachts in Millionärsvillen bevorzugt in Berlin-Zehlendorf einbrechen und dort Möbel umstellen, aber nicht mitgehen lassen. Sie hinterlassen dafür eine Nachricht wie: "Die fetten Jahre sind vorbei." Das ist nur der Versuch, die Gewinner im kapitalistischen Spiel zu verunsichern und zum Umdenken zu bewegen. Denn mit Umverteilung ist nichts mehr, das einzige, was solche Bonzen noch umtreibt, ist ihre Sicherheit. So gleitet Die fetten Jahre sind vorbei an die Grenzen von Systemkritik. Denn es geht um solche Fragen wie: "Warum geht es den Entwicklungsländern so schlecht?", "Wie kann es sein, dass ich so wenig habe, aber andere so viel?" und "Warum begehren die Leute gegen diese Umstände nicht auf?"

Die Antworten, die weder Hardenberg noch Die fetten Jahre sind vorbei geben können, hängen mit einem gewissen Herrn Marx zusammen, der nicht zufälligerweise vor etwa 150 Jahren das Wort Kapitalismus erfunden hat. Es hat auch etwas mit der Verteilung der Produktionsmittel, Boden, Arbeit und Kapital, zu tun. Wer Grundstückspreise in Hongkong kennt, weiss, was Boden wert sein kann. Kapital ist das flüchigste der Produktionsmittel und aufgrund der Zinsmechanismen erwartet man, dass es immer mehr werden muss. Nur Arbeit ist personengebunden und damit schwer zu transferieren. Ausserdem muss dieses Produktionsmittel auch noch einen Lebensinhalt stiften. Was ein Überangebot an Arbeit anrichtet, kann man an unseren Arbeitslosenzahl ablesen. Glück und ein paar richtige Entscheidungen können da die eigene Position schon verbessern. Schließlich hat man irgendwann eine Familie, der man was bieten muss.

Nach dem Ende des real existierenden Kapitalismus, der keiner war, gibt es ja keine Alternativen mehr. Marx' Theorie vom Sozialismus konnte einfach nicht funktionieren, da sein Menschenbild keinen Wettbewerb kennt. Aber es gibt immer jemanden, der besser sein will. Damit kann eine Gesellschaft von Gleichen nicht funktionieren. Ja, da bleiben nur noch Drogen, um den ganzen Kram zu überstehen. Marx hat noch von der Religion als Opium des Volkes gesprochen, mit dem sich die schlechte Situation der Arbeiterschaft ertragen lässt. Nach Marx, Nietzsche und anderen Religionskritikern haben wir dann 1968 die Religion im öffentlichen Leben abgeschafft, so dass jetzt andere Sachen als Betäubungsmittel herhalten müssen. Fernsehen zum Beispiel: Jeder Deutsche schaut jeden Tag vier Stunden Fernsehen. Oder man nimmt Drogen, zur Not auch körpereigene. Die härtesten körpereigenen Drogen werden freigesetzt, wenn man sich gerade verliebt hat. Aber das ist eine andere Geschichte in Die fetten Jahre sind vorbei.

Wer wissen will, was Jan, Peter, Jule und Hardenberg, die Berghütte in Tirol und Berlin in Die fetten Jahre sind vorbei verbindet, muss ins Kino gehen. Aber zahlen sie nicht mehr als 10 Euro für ihre Kinokarte (eigentlicher Preis: 5,50 Euro). Sonst könnten wir noch auf folgenden Gedanken kommen: "Sie haben zuviel Geld. Die Erziehungsberechtigten."

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