Das Herz von Jenin

Ich möchte erstmal mit einem kleinen Exkurs über Europa anfangen. Wenn man beschreiben möchte, was besonders an Europa ist, könnte man das am gestrigen Eurovision Song Contest festmachen. Millionen Fernsehzuschauer kümmern sich um die Frage, welches der vorgestellten Lieder das beste in Europa sei. Auch wenn das Lied recht schnell wieder vergessen sein mag, für einen Moment sind so kleine Länder wie Norwegen, Island oder Aserbaidschan plötzlich die größten in Europa. Allerdings bin ich auch ein bisschen froh, dass Aserbaidschan nicht gewonnen hat. Die notwendigen technischen Aufrüstungen für den Wettbewerb im nächsten Jahr hätten den Fernsehsender wohl ruiniert.

Das schöne daran ist, dass alles weitgehend friedlich abläuft. Natürlich mokieren wir uns immer über die 12 Punkte aus Zypern für Griechenland. Der Siegertitel muss aber Punkte sowohl in den westlichen als auch in den östlichen Ländern holen, um sich durchzusetzen. Komischerweise musste ich bei Fairytale, das dieses Jahr gewonnen hat, an ein Lied im Hintergrund von Alles für meinen Vater denken. Alles für meinen Vater spielt in einer viel unruhigeren Gegend – Palästina. Und Das Herz von Jenin beschäftigt sich mit einer ähnlichen Thematik.

Das Herz von Jenin ist ein deutscher Dokumentarfilm, der im englischen, arabischen und hebräischen Original mit gut lesbaren Untertiteln läuft. Er erzählt die Geschichte von Ismail Khativ. Ismail ist Palästinenser aus Jenin, dessen 12-jähriger Sohn Achmed von einer israelischen Militärstreife erschossen worden ist, weil er eine Spielzeugwaffe in der Hand hielt. Mit schweren Verletzungen wird Achmed nach Haifa ins Krankenhaus gebracht. Nach zwei Tagen in der Intensivstation lässt sich nichts mehr für Achmed machen. Ismail entschließt sich, Achmeds Organe zur Organspende freizugeben. 6 israelische Kinder erhalten Organe von Achmed.

Der Fall erregte ziemliches Aufsehen in Israel, weil niemand so etwas erwartet hätte. In Das Herz von Jenin werden die persönlichen Beweggründe von Ismail dargestellt. Seiner Ansicht ist eine persönliche Form von Widerstand. Dennoch möchte er weiterhin mit den Familien der Organempfänger in Kontakt bleiben. Durch die Grenzanlagen zwischen Israel und dem Westjordanland ist dies kein einfaches Unterfangen. Selbst seinen israelischen Verwandten kann Ismail nicht so einfach sehen. Dabei sind sie nur 10km voneinander entfernt.

Das Herz von Jenin ist ein ergreifender Dokumentarfilm, in dem auch ersichtlich wird, wie kriegsmüde die normale palästinensische Bevölkerung ist. Alle sehnen sich nach dem Ende der Besatzung, das auch ein Ende der chaotischen Verhältnisse bringen soll. Für diese außergewöhnlichen Einblicke gibt es von mir 9 von gezahlten 7 Euro.

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