Herr Lehmann

Ich bekenne mich als erstes schuldig, nicht das Buch Herr Lehmann von Sven Regener gelesen zu haben. Alle anderen Kinobesucher scheinen dies getan zu haben, inklusive dem Rezensenten von der Zeit. Ausserdem habe ich keine Kenntnisse über die Verhältnisse in Berlin-Kreuzberg 1989. Alle, die mehr Vorwissen haben als ich, bitte ich nicht weiterzulesen.

West-Berlin war ja das Sammelbecken für alle möglichen Leute, die mit alten BRD nicht zurechtkamen. Es gab dort zum Beispiel jede Menge Kriegsdienstverweigerer, weil die Bürger Berlins aufgrund des allierten Sonderstatus keinen Militärdienst leisten mussten. Herr Lehmann ist auch so ein Flüchtling aus dem Westen.

Also, wie schon gesagt, spielt Herr Lehmann in Berlin-Kreuzberg kurz vor der Maueröffnung am 9. November 1989. Frank Lehmann, der von allen nur Herr Lehmann genannt, arbeitet für Erwin in der Kneipe Einfall. Er ist auch Stammgast in der Kneipe Markthalle, wo seine Kumpels Karl und Heidi arbeiten. Herr Lehmann könnte der klassische verkannte Philosophiestudent sein, der vor lauter Jobben sein Studium nicht fertig kriegt. Herr Lehmann scheint mit seiner Lebenslage dennoch nicht ganz unzufrieden zu sein.

Eines Tages fängt Herr Lehmann Knatsch mit der neuen Köchin in der Markthalle an, weil er unbedingt um 11 Uhr Schweinebraten haben will. Seiner Meinung nach müsse es auch möglich sein, um 11 Uhr Schweinebraten zu servieren, wenn es bis um 17 Uhr Frühstück gebe. Die Köchin sieht das etwas anders, und irgendwie taucht das Wort Lebensinhalt auf. Herr Lehmann fängt sofort an, über die Bedeutung des Wortes zu philosophieren. Wenn es einen Lebensinhalt gibt, dann muss das Leben ja ein Gefäß sein. Und diese Gefäß wird dann mit Inhalt gefüllt, was auch immer dieser sei: Zeit, Bier (zu 80% 0,5l-Flaschen-Beck's, die restlichen 20% Schultheiss) oder was sonst auch immer.

Ansonsten tröpfelt das Leben so vor sich hin: Herr Lehmann verliebt sich in die Köchin Katrin; Erwin sorgt sich, dass seine Kneipen zugemacht werden, weil ein Zivilbulle (auffälligster Kandidat für diese Rolle Rainer, der immer Kristallweizen ohne Zitrone trinkt, Spitzname: Kristall-Rainer) jemanden erwischen könnte, der in Erwins Kneipen Drogen nimmt; Karl, wenn er nicht in der Kneipe arbeitet, Künstler, schafft es endlich, in einer Galerie in Charlottenburg ausstellen zu dürfen.

Der Besuch von Herr Lehmanns Eltern macht deutlich, was Herrn Lehmann an Berlin gefällt: Nicht den Anspüchen seiner Eltern genügen zu müssen, die von ihm eine erfolgreiche Karriere erwarten. Obwohl seine Eltern meinen, dass es fürchterlich sein müsse, durch die Berliner Mauer so eingesperrt zu sein, sieht Herr Lehmann das ganz anders: Die anderen sind ausgesperrt. Für ihn selbst gibt es nichts schlimmeres als nach Ost-Berlin fahren zu müssen.

Herr Lehmann ist eine ausnahmsweise gelungene deutsche Komödie, wenn auch mit traurigem Ende. Detlev Buck gibt einen total knuffigen Karl, der am eigenen Erfolg scheitert. Besonders schön sind die Szenen im Schwimmbad und als Herr Lehmann den Zivilbullen Kristall-Rainer aufdeckt.

Herr Lehmann, gibst Du mir noch 'n Dutzend Beck's-Flaschen (8,04 Euro) für diese Kinokarte (6,50 Euro)?. Und denk an die Elektrolyte! (stellt ihm eine Schale Kartoffelchips hin) - Karl, ich find' diese Kombination aus Herr Lehmann und Duzen einfach unerträglich. Bis denn, dann.

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