Fiktive Geschichten über fiktive Leute haben schon seit Ewigkeiten die Leute fasziniert: Man nehme nur die Irrfahrten des
Odysseus oder das Lied von dem starken Helden Roland, der für die Franken Unmengen von Mauren abschlachtet und dann in
Roncesvalles fällt. Wieviel interessanter wäre es dann, wenn zum Beispiel die Geschichten von Sherlock Holmes falsch erzählt
worden wären, nur weil Dr. Watson es nicht auf die Reihe gebracht hätte? Denn in Mr. Holmes wird der Name von Sir Arthur
Conan Doyle keines Wortes gewürdigt.
Mr. Holmes spielt im Jahr 1947, in dem sich der mittlerweile 93-jährige Sherlock Holmes schon seit etwa 30 Jahren in ein
Anwesen an der englischen Ärmelkanalküste zurückgezogen hat. Das Gedächtnis lässt Sherlock Holmes seit einiger Zeit im Stich
und so versucht er, es mit Hilfe von Gelee Royale und seit einem Japanaufenthalt auch mit Anispfeffer wieder aufzufrischen.
In dem Anwesen wird er von seiner Haushälterin Ms. Munro und deren Sohn Roger unterstützt. Mr. Holmes einzig verbliebenes
Hobby ist die Bienenzucht, wobei die Bienenstöcke einem unerklärlichen Schwund an Bevölkerung unterliegen. Irgendwie lässt
Sherlock Holmes sein letzter Fall nicht los. Denn er kann sich nicht erinnern, warum er seinen Beruf an den Nagel gehangen
hat. Vor dreißig Jahren war Mr. Kelmot in Sherlock Holmes' Kanzlei gekommen, um das unerklärliche Verhalten seiner Frau
aufgeklärt zu bekommen. Mr. Kelmot hatte ihr nach zwei Fehlgeburten schon ausgiebige Glasharmonikastunden finanziert, um sie
aus ihrer Betrübnis zu bringen. Jedoch wurde das Bedürfnis nach Glasharmonikamusik immer mehr, wobei sich das Verhalten nicht
sonderlich änderte, so dass Mr. Kelmot diese Entwicklung nicht weiter fördern konnte und seiner Frau, weitere Musikstunden
verbat. In einem Zustand letzter Verzweiflung konsultiert er also Sherlock Holmes, der gegenüber der Baker Street 221B
residiert.
Mr. Holmes zeigt anhand der Versuche Sherlock Holmes', wie schwierig es ist, sich an Begebenheiten zu erinnern. Als Daoist
könnte man sagen, es geht in Mr. Holmes eher um den Weg zur Erkenntnis, als um die Erkenntnis selber. Auf jeden Fall geht es
um die Wahrheit, welche sich nicht in den Millionen von Fehlern finden lässt, die Watson in die Geschichten eingebaut hat.
Die Wege der Logik sind klar, auch wenn ich mal einwerfen möchte, dass die Worte "weiblich" und "Logik" in Kombination
manchmal auf recht unmathematischen Wegen unterwegs sind. Für die anrührende Geschichte mit einigen Unzulänglichkeiten und
die schönen Landschaftsaufnahmen gibt es von mir 12 von gezahlten 8 Euro.
Ich wünsche noch einen guten Rutsch in das neue Jahr.