Ich hätte nicht gedacht, dass ich etwas von Steven Spielberg hier aufnehmen würde. Lincoln, der in den letzten
vier Monaten der Amtszeit von Abraham Lincoln spielt, hat es dann geschafft.
Lincoln hat eine ausgesprochene juristische Note, da Abraham Lincoln selbst Anwalt war und sich entsprechend in den
Winkelzügen auskannte. Was in Lincoln deutlich wird, ist die Abhängigkeit des Juristen von seinem Gott, dem
Gesetzgeber. Der Gesetzgeber, im Falle der USA Repräsentantenhaus und Senat legt nämlich fest, was Recht und
Unrecht ist. Alles, womit sich der Gesetzgeber in seiner Weisheit noch nicht beschäftigt hat, stellt eine Grauzone
da. Rechtsfreie Räume gibt es jedoch nicht - und wer glaubte, dass der Tiefseeboden oder der Weltraum rechtsfreie
Gebiete seien, der irrt sich. Deutsche Astronomen mögen zwar Galaxien in 13 Milliarden Lichtjahre Entfernung gerade
noch sehen können, aber was rechtlich dort erlaubt ist, ist in völkerrechtlichen Verträgen festgelegt.
Abraham Lincoln hat sich zum Teil weit hinausgelehnt, als seine Regierung die Emanzipations-Proklamation
veröffentlicht hat. Im Zweifel kann er dafür verklagt werden, aber er fand sein Vorgehen durch seine
Sonderbefugnisse während des Krieges abgedeckt. Regiert werden muss auch, wenn es dafür noch keine Meinung des
Gesetzgebers gibt. Man kann ja auch den Präsidenten verklagen, um herauszufinden, was rechtens ist. Die
Konföderierten Staaten von Amerika sind übrigens nie ein eigener Staat gewesen, sondern immer nur abtrünnige
Rebellen.
Abraham Lincoln hat einen Wunsch, nämlich den 13. Verfassungszusatz vor dem Ende des Sezessionskrieges
verabschiedet zu bekommen, der die Sklaverei in den Vereinigten Staaten von Amerika abschafft. Der
republikanische Senat hat schon zugestimmt, im Repräsentantenhaus fehlt noch eine Mehrheit, die nur mit Stimmen
der Demokraten zu bekommen ist. Außerdem muss noch bedacht werden, dass drei Viertel der Einzelstaaten den
Verfassungszusatz ratifizieren müssen, damit er Gültigkeit bekommt. Da der Sezessionskrieg sich auch um die Frage
drehte, wie viel Macht die Zentralregierung in Washington bekommen sollte, ist eine zentrale Vorgabe zur
Abschaffung der Sklaverei ein Politikum, auf jeden Fall aus Sicht der Konföderierten Staaten, die militärisch
schon kurz vor dem Abgrund stehen. Auch das Repräsentantenhaus entzweit die Frage, ob dieser Verfassungszusatz
angesichts des bevorstehenden militärischen Sieges noch notwendig ist.
Lincoln blickt hinter die Kulisse des damaligen Politgeschäftes und vermittelt einen Eindruck, wie sich der
Bürgerkrieg und die sich andeutende Beschleunigung durch die Rolle der Medien und des Telegrafenwesens auf eine
politische Klasse auswirken, die sich zum Teil noch mit Problemen von früheren Zeiten herumschlagen muss. Von den
Verstrickungen aus The Ides of March sind wir jedoch noch meilenweit entfernt.
Lincoln schafft es auch durch Blicke in das Familienleben Abraham Lincolns den Menschen hinter dem Präsidenten
darzustellen und lebt dabei von der Leistung Daniel Day-Lewis', der Abraham Lincoln spielt. Von mir gibt es 12
von gezahlten 8,50 Euro.