Nach längerer Zeit mehr oder weniger starker Isolation ist es wenig verwunderlich, dass Nomadland den Oscar für den besten
Film gewonnen hat. Nomadland, den ich gestern im englischen Original mit gut leserlichen, aber etwas zu großen Untertiteln
gesehen habe, zelebriert die individuelle Freiheit. Auch wenn ich mir nicht vorstellen könnte, dieser Form von Freiheit
nachzugehen.
Nomadland beginnt mit der Geschichte von Empire, Nevada, einem Dorf, dessen Hauptarbeitgeber ein Werk zur Herstellung von
Gipsplatten war. 2011 wurde der Betrieb geschlossen und ein halbes Jahr später stellte der US Postal Service die Nutzung der
zu Empire gehörenden Postleitzahl ein. Fern, die Protagonistin von Nomadland, wohnte bis zum Tod ihres Mannes in Empire. Ihr
Mann arbeitete im Gipswerk, sie war eine Zeitlang in der Personalverwaltung tätig. Da die Sesshaftigkeit nicht ihre Sache
ist, hat sie sich in ihrem Van Wanderarbeitern angeschlossen, die dorthin ziehen, wo es gerade einen saisonalen Bedarf von
Arbeitskräften gibt: Sei es bei Amazon vor Weihnachten, in den Nationalparks und entlegenen Touristenattraktionen im Westen
der USA zu Urlaubszeiten oder bei der Zuckerrübenernte in Nebraska. Genommen werden Jobs, die einfach zu erlernen sind, wo es
Anweisungen gibt, oder die im Saubermachen oder der Zubereitung von Essen bestehen. Wie sagte mein Freund John: Flipping
Burgers is always good in your CV. Nur im Frühjahr ist etwas Flaute, und so versammeln sich viele der mobilen Arbeiter in
Quartzside, Arizona.
Natürlich ist man nach so langer Abwesenheit die Größe einer Kinoleinwand nicht mehr gewohnt. Und neben der zum Teil
traumhaften Landschaft beeindruckt Nomadland auch damit, dass nur zwei richtige Schauspieler zum Einsatz kommen. Die übrigen
Charaktere sind Leute, die wirklich ihren Lebensunterhalten in einem mehr oder weniger ausgestatteten Wohnmobil verbringen
und für die ihre Autos ihr Zuhause sind. Untermalt wird alles noch von Musik, die Ludovico Einaudi komponiert hat, den ich
neben Ryuichi Sakamoto für seine Klavierwerke schätze. Auch dafür lohnt es, sich Nomadland anzuhören. Von mir gibt es 15 von
10 gezahlten Euros.