Bei Offside musste ich die ganze Zeit an Götz von Berlichingen denken. Nicht dass der olle Goethe irgendwas mit Offside
zu tun hätte. Als wir Götz von Berlichingen in der Schule durchgenommen haben, durften wir auch einen Fachbegriff namens
Teichoskopie, zu Deutsch Mauerschau, lernen. Theater waren ja schon immer chronisch unterfinanziert und konnten sich zum
Beispiel nie die 300.000 Statisten für die Begräbnisszene Gandhis im gleichnamigen Film leisten. Abgesehen davon, dass
solche Massen von Leuten selten auf eine Bühne passen und im Zweifelsfall die Anzahl der Zuschauer überboten hätten. Das
hat sich dann geändert, als Giuseppe Verdi Aida geschrieben hat. Aber das ist eine andere Geschichte.
Die Teichoskopie in Götz von Berlichingen findet irgendwann in diesem unmöglich zersplitterten dritten Akt statt, als
Götz eine Schlacht schlägt und nur indirekt von ihr berichtet wird. So was ähnliches findet sich auch in Offside, nur
geht es um keine Schlacht, sondern um das Fußballspiel Iran - Bahrain im Teheraner Zentralstadion, in dem sich der Iran
für die größte Party aller Zeiten in Deutschland qualifizierte. Vielleicht sollte ich hier mal erwähnen, dass es sich
bei Offside um einen iranischen Film handelt, der hier leider in einer recht komischen Synchronisation gezeigt wird.
Offside handelt von sechs Mädchen, die versuchen, sich das Spiel im Stadion anzusehen. Leider gibt es ein Gesetz, das
Frauen verbietet, sich ein Fußballspiel in Gegenwart von Männern im Stadion anzuschauen, was dieses Vorhaben recht
schwierig macht. Auf jeden Fall werden die sechs unter Arrest gestellt und von Soldaten außerhalb des Stadions bewacht,
wobei diese Soldaten eigentlich etwas besseres vorhaben, als auf diese Mädchen aufzupassen. Wer möchte nicht wissen, ob
sich der Iran für die Fußballweltmeisterschaft qualifiziert. Und so versuchen die Soldaten die Geschehnisse innerhalb
der Stadionmauern auch außerhalb der Stadionmauern in Erfahrung zu bringen. Soviel zur Teichoskopie.
Die Begründungen, warum die Mädels nun nicht Fußball sehen dürfen, werfen ein recht übles Licht auf iranische Männer.
Japaner müssten demnach viel gesitteter sein als Iraner. Und selbst die bahrainschen Frauen dürfen das Spiel sehen. Da
kann ja nicht einmal der Islam irgendwas legitimieren. Auf jeden Fall wird so aus Offside eine recht annehmbare Komödie.
Außerdem hatte ich das Gefühl, das die 90 Minuten von Offside ein bisschen die kondensierte Stimmung der
Fußballweltmeisterschaft hier in Deutschland abbilden. Nachdem sich der Iran für die Endrunde qualifiziert hatte, war
nichts mehr von den ganzen Bestrafungen zu spüren, die die Soldaten den Frauen androhen mussten. Alle waren froh, dass
es gut für das Land geendet hat. Deswegen gibt es für Offside 10 von gezahlten 6,50 Euro.