Die Ökonomisierung unserer Gesellschaft zeigt sehr interessante Umtriebe. In den letzten zwei Wochen habe ich mich zweimal
gegen einen Film bei der 8. Japanischen Filmwoche entschieden, weil mir die Länge der Schlange vor dem Kino zu lang war. Die
doch sehr anspruchsvollen Filme sind umsonst zu sehen, was sich mittlerweile herumgesprochen hat. Eine lange Schlange gab es
gestern im Metropol-Kino auch für The Wolf of Wall Street, der von einem Börsenbetrüger handelt. Tian
Zhu Ding, der im Mandarin-chinesischen, kantonesischen, Hunan-chinesischen und englischen Original mit meistens lesbaren
Untertiteln läuft, handelt auch von der Ökonomisierung einer Gesellschaft, nämlich der chinesischen.
Der Regisseur von Tian Zhu Ding, Jia Zhangke, hat schon früher mit Sanxia haoren eine nicht
völlig in das öffentliche Bild Chinas passende Geschichte verfilmt. Tian Zhu Ding basiert auf verschiedenen Nachrichten aus
dem chinesischen Netz, die durch eigenwillige Verknüpfung der Personen einen Zusammenhang gewinnen und sich in vier Episoden
niederschlagen.
Dahai lebt in einem kleinen Dorf in Shanxi, das praktisch nur aus der Wujinshan-Kohlenmine besteht. Im Zuge der
Privatisierung der Staatsbetriebe ist die Mine im Jahr 2001 an einen Geschäftsmann verkauft worden, der sich mittlerweile
von den Dorfbewohnern feiern lässt, als er seinen neuen Privatjet aus Hongkong abholt. Die Schönheit seiner Frau steht in
direktem Zusammenhang mit seinem Kontostand und er fährt natürlich Maserati, auch wenn man in der Abgelegenheit der
Berglandschaft so ein Auto schlecht ausfahren kann. Dahai wittert seit langem Korruption und entschließt sich letztendlich
das Problem auf seine Art zu lösen.
Xiaohui hat als Wanderarbeiter in Shanxi gearbeitet und kehrt zu seiner Frau nach Chongqing zurück. Nach kurzer Zeit wird
klar, dass die Familienpflichten nach jahrelanger Trennung eher lästig geworden sind. Also macht sich Xiaohui auf, um seinen
nächsten Job zu erledigen, um dann nach Myanmar weiterzufahren. In dem Bus, mit dem er wegfährt, ist auch ein Manager einer
Fabrik in Guangdong. Er trifft sich mit seiner Geliebten, die in einem Saunaclub arbeitet und endlich auf eine Trennung
wartet. Auf jeden Fall sehen wir den Manager wieder in der letzten Episode in Dongguan, wo ein junger Mann sich mit
verschiedensten Jobs herumschlägt, um die Wünsche seiner Eltern zu erfüllen und auch den Sinn des Lebens sucht.
Tian Zhu Ding ist insofern sperrig, als dass die Selbstverständlichkeit der Reichen gezeigt wird, sich mit Geld alles kaufen
zu können. Diese Macht spiegelt sich dann in Korruption und Prostitution auf eine doch sehr unangenehme Art. Irgendwo ist
diese Zurschaustellung der Geldelite auf eine gewisse Weise so menschenverachtend, dass die hervorgerufenen Reaktionen
verständlich werden. Gleichzeitig destilliert Tian Zhu Ding die Hoffnungslosigkeit der nicht so begüterten. Einen Aufruf zum
Aufstand habe ich nicht entdecken können, allerdings könnte das Sujet auf Deutschland bezogen wohl auch hier zu unangenehmen
Pressereaktionen führen. Trotz einer gewissen Menge digitalisierten Blutes vergebe ich Tian Zhu Ding eine Wertung von 12,50
Euro von gezahlten 8 Euro.