Jersey Boys

Es wirkt etwas surreal, wenn Clint Eastwood einen Musicalfilm dreht, was er mit Jersey Boys getan hat, den ich gestern im englischen Original mit gut lesbaren, ab und zu notwendigen Untertiteln gesehen habe. Wie auch schon in Gran Torino bildet Eastwood möglichst detailgetreu das Milieu ab, in dem Frankie Valli aufwuchs: Belleville nördlich von Newark in New Jersey. In den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zeichnet sich Belleville durch eine große Kolonie italienischer Einwanderer aus, so dass auch Verbindungen zur Mafia bestehen und kriminelle Karrieren durchaus üblich sind.

Frankie Castelluccio arbeitet tagsüber in dem Friseursalon seines Vaters und probt abends mit einigen Freunden Lieder, die zum Teil noch aus der Swingära stammen, zum Teil schon auf den späteren Rock and Roll hindeuten. Wenn die Jungs proben, bedeutet es nicht immer, dass auch gesungen wird. Es steht auch schon mal ein Einbruch bei einem Juwelier auf dem Plan. Auf jeden Fall werden die Auftritte häufiger, Frankie lernt seine spätere Frau kennen und ändert seinen Nachnamen in Valli. Nachdem Bob Gaudio das ursprüngliche Trio zu einem Quartett erweitert hat, versuchen sie den Sprung auf die ganz große Bühne und bewerben sich mit Demobändern bei Plattenfirmen in New York. Dort kommt es zu einem weiteren Namenswechsel der Gruppe, die sich fortan Four Seasons nennt.

Solange ein Musical die Geschichte einer Band erzählt, so dass die Lieder dazugehören, kann ich es noch aushalten, auch wenn mein Bedarf an "Sherry" von den Four Seasons für die nächsten Jahre gedeckt ist. Die Hitdichte der Four Seasons ist doch sehr überschaubar und es kommt zu vielen Wiederholungen. Da Frankie Valli als Producer von Jersey Boys auftritt, darf man wie schon bei Walk the Line nicht mit einer allzu kritischen Auslegung der Vergangenheit rechnen. Dass die Ehefrau Frankie Vallis der Alkoholsucht verfällt und die Kinder ihren Vater nicht sehen, scheint wie ein nebensächlicher Kollateralschaden der Tatsache, dass Frankie Valli den American dream verwirklichen kann. Dass Geld nicht alles ist und die Vallis wahre Familie die Four Seasons waren, bleibt in Jersey Boys im Hintergrund. Die Rolle von Vallis Tochter Francine wird auch nur wegen ihres Schicksals ausgeleuchtet, und bleibt nur eine Episode, während die anderen Kinder in der Erzählung gar nicht existieren. Ich vergebe Jersey Boys eine Wertung von 8,50 Euro für gezahlte 8,50 Euro.

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