Es wäre alles viel einfacher, wenn ich nicht immer diese Stimmen in meinem Kopf hätte. 1. Das Laptop aufklappen und
einschalten. 2. Nach dem Hochfahren das E-Mail-Programm anklicken. 3. Die letzte E-Mail mit einer Filmkritik heraussuchen.
4. Allen antworten und meine eigene E-Mail-Adresse löschen. 5. Versuchen ein paar sinnvolle Worte über den letzten
gesehenen Film zu finden. Diese Stimmchen können dazu führen, dass man noch eines Tages in der Psychiatrie landet,
besonders wenn man die ersten zehn Minuten von I’m a cyborg, but that’s OK übersteht.
I’m a cyborg, but that’s OK von Park Chan-wook läuft im koreanisch-deutschen Original mit meistens gut leserlichen
Untertiteln. Nach K-Pax aus 2002 spielt I’m a cyborg, but that’s OK wieder mal zum größten
Teil in der Psychiatrie. Die junge Fabrikarbeiterin Young-gun ist eingeliefert worden, nachdem sie nicht nur Kabel in
einem Radio verbunden hat, sondern auch sich selbst mit der Steckdose. Young-gun ist auf einer recht verrückten
Psychiatriestation aufgenommen worden. Die Patienten dort dürfen ihre Verhaltensweisen recht ungehindert ausleben und auch
das Pflegepersonal lässt sich nicht so leicht von den Patienten unterscheiden.
Young-guns Großmutter war schizophren und glaubte, dass sie eine Rettich essende Maus sei, wenn sie nicht gerade auf der
Suche nach dem Zweck des Daseins war. Leider wurde sie in Anwesenheit von Young-gun zu den Weißkitteln gebracht, die sie
einfach so abtransportierten, ohne dass Young-gun Omas Gebiss mitgeben konnte. Young-gun selbst war schon von Kindesbeinen
der Meinung, sie könne nur ein Cyborg sein, weil sie unter anderem in einem Brutkasten voller Drähte aufgewachsen war.
In der Klinik selbst fällt Young-gun dadurch auf, dass sie nichts isst. Natürlich brauchen Cyborgs keine Nahrung und
beziehen ihre Energie aus Batterien, die sie beim Mittagessen zwischen ihren Fingern halten oder an denen sie lecken. Der
gute eingelegte Rettich geht dann an die etwas dickliche Mitpatientin. Das ist der Gesundheit allerdings nicht so
zuträglich und eine verständnisvolle Pflegerin versucht, Young-gun zum Essen zu animieren. Ansonsten unterhält Young-gun
sich mit diversen elektrischen Geräten. Die Tage sind recht eintönig und werden nur durch Tischtennisspielen oder
Gruppentherapie im Park unterbrochen - wenn da nicht der junge Mann Park Il-Sun wäre. Der hat allerdings bei allen
Probleme, da er im Verdacht steht, alles Mögliche zu stehlen, unter anderem Donnerstage. Aber Kleptomanen kann man für
vielerlei Dienste gebrauchen.
I’m a cyborg, but that’s OK ist genretechnisch schwer einzuordnen. Von Mangaverfilmungen über Ballerspielszenen bis zu
Heidi kommt alles Mögliche vor. Man möchte fast sagen, I’m a cyborg, but that’s OK ist noch kranker als die Patienten, was
fast schon eine Meisterleistung ist. Dennoch ist vieles sehr authentisch. Entschuldigen Sie bitte, wenn das jetzt meine
Schuld ist. Ich wollte das nicht.
Glauben Sie mir nicht alles, was ich Ihnen erzähle. Ich leide an Mythomanie, alles ist gelogen. Was allerdings nicht
gelogen ist, ist die Wertung für I’m a cyborg, but that’s OK. Neben After life und
Niceland (Population 1.000.002) schafft es I’m a cyborg, but that’s OK in die Klassikerliste
des After-life-ismus. Der After-life-ismus begründet sich auf After life und ist davon überzeugt, dass jeder nach seinem
Ableben den schönsten Moment seines Lebens verfilmen soll, um sich ewig daran zu erinnern. Der orthodoxe Zweig glaubt
daran, dass dieser Moment in einem Kino während eines Filmes geschehen sollte, der den Sinn des Lebens erklärt. I’m a
cyborg, but that’s OK hat diese Prüfung bestanden.