Nachdem ich bei Die Rückkehr Mitleid mit russischen Frauen gezeigt habe,
sind jetzt die japanischen dran. Ein japanischer Ehemann lässt aus Sicht
seiner Ehefrau am besten als das Wesen beschreiben, das spätabends, wenn Du
schon schläfst, nach Hause kommt und - wenn es schlimm kommt - das Haus
bevor Du aufstehst verläßt, um zur Arbeit zu gehen. Nach seiner
Pensionierung weiß es dann nicht, was es mit Dir anfangen soll, da es ja
nicht gewohnt ist, Dich so lange zu sehen.
A Snake of June ist ein japanischer Ultramarinweißfilm - also ein
Schwarzweißfilm, bei dem man das Schwarz durch ein fieses Blau ausgetauscht
hat - im japanischen Original mit zu 97% lesbaren deutschen Untertiteln. Ich
finde es immer wieder interessant, wie sich das japanische Original von den
Untertiteln unterscheidet. Aber das ist eine andere Geschichte.
Rinko Tatsumi ist eine glückliche japanische Ehefrau, die bei der
Telephonseelsorge arbeitet. Ihr Mann Shigehiko ist ein erfolgreicher
Geschäftsmann und dementsprechend oft zu Hause. Zudem leidet er noch an
einem Elling-mäßigem Sauberkeitstick, was ihrer Beziehung fast schon das
Prädikat klinisch rein verleihen könnte. Ich möchte jetzt aber nicht so weit
gehen, dass eine japanische Version von Anleitung zur sexuellen
Unzufriedenheit A Snake of June verhindert haben könnte, wenn Rinko und
Shigehiko sich mal die Mühe gegeben hätten, ins Kino zu gehen.
Nun ja, es ist Juni, und damit Regenzeit in Japan. Mich hat A Snake of June
stark an jeden denkwürdigen Juni 2001 in Hongkong erinnert, der mit über 1m
Niederschlag der regenreichste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen war.
Eine Bekannte meinte nur: "Ich dachte wir hätten hier Sonne, jetzt regnet es
nur und ich kann gar nicht braun werden." Wenn man sich noch diese
Regenmengen in Verbindung mit dem blauen Hintergrund ansieht, merkt man
schnell, dass A Snake of June ein klasssicher Psychofilm ist.
Die Handlung ist dementsprechend abgefahren: Rinko Tatsumi bekommt von einem
ihrer Telephonseelsorgeklienten recht eindeutige Photos zugeschickt. Das
wiederholt sich und irgendwann ist bei den Briefen auch ein Handy dabei, mit
dem der Mann hinter der Kamera ihr Anweisungen geben kann. Der Unbekannte
spielt dabei mit den heimlichen Wünschen und Ängste der Tatsumis, indem er
sie anweist, das zu tun, was sie im Fall von Rinko nur heimlich tun möchten
oder im Falle von Shigehiko nie ertragen könnten. Bei Rinko geht es um die
Befreiung von ihrem Ehemann und von anderen gesellschaftlichen Normen.
Shigehiko wird mehr mit seinem Sauberkeitsfimmel und seiner männlichen Ehre
konfrontiert. Dabei mischen sich auch Albträume in Shigehikos Denken, und
die Grenze zwischen Realität und Erdachtem verschwindet.
Aus reinem Mitleid mit dem Gemüsehändler in A Snake of June gibt es 500 Yen
(etwa 4,50 Euro) für die Kinokarte von 5 Euro.