Wer hätte gedacht, dass das neue Jahr genauso anfängt wie das alte? Ich zumindest nicht, als ich mich gestern auf den
Weg ins hiesige UCI gemacht habe. Eigentlich wollte ich mir Match Point, den neuen Film
von Woody Allen, in etwas anderer Umgebung als sonst ansehen. Wie schon letztes Jahr bei Alles auf Zucker,
gab es jedoch nur noch ein paar Plätze in der ersten Reihe, worauf ich so gar keine Lust habe. So war 2006ens
The House of the Flying Daggers dann Sommer vorm Balkon.
Zufälligerweise spielt Sommer vorm Balkon genauso wie Alles auf Zucker auch in Berlin. Von dem Regisseur, Andreas Dresen,
habe ich sogar schon Herr Wichmann von der CDU gesehen. Insofern vielleicht nicht die
schlechtesten Voraussetzungen. Allerdings war Sommer vorm Balkon auch ausverkauft. Ich möchte mal wissen, was die ganzen
Leute im Kino machen. Normalerweise bin ich ausverkaufte Kinosäle nicht so gewohnt.
Sommer vorm Balkon handelt von Nike und Katrin, zwei Frauen in den Dreißigern, die neben der Suche nach Männern auch ein
paar andere Sachen nicht auf die Reihe bekommen. Nike arbeitet als Altenpflegerin auf einer Sozialstation, während Katrin
als allein erziehende Mutter ihres Sohnes Max arbeitslos ist. Beide wohnen in demselben Haus im Prenzlauer Berg. Nike oben,
Katrin unten.
Das Leben wäre recht langweilig, wenn Katrin im Beisein von Nike nicht eines Tages beinahe von einem Sattelschlepper
umgenietet worden wäre. Der Fahrer, namens Roland oder Ronald, kommt Nike gerade recht. Katrin vielleicht auch, oder Tina,
die in der Eckkneipe arbeitet. Und wenn abends die Colaflaschen leer sind, kann man ja mal den einsamen Apotheker von
gegenüber anrufen, für den Katrin ein Faible hat.
Sommer vorm Balkon ist eine hübsche Komödie über alle Tiefen und Untiefen des Lebens. Zum ersten Mal wird auch der Beruf
des Altenpflegers einigermaßen richtig dargestellt, auch wenn dies zu einigen Lachern geführt hat. Endlich durften alte
Leute mal dement sein. Darüberhinaus sind Katrins Szenen beim Arbeitslosentraining sind unschlagbar. Ohne Selbstvertrauen
sind selbst Vorstellungsgespräche als Dekorationshilfskraft Höllentrips. Mir persönlich hat dann die Filmmusik am besten
gefallen, die 70er Jahre Schlager zur Kommentierung des Geschehens verwendet. Selbst wer Nana Mouskouri kritisch
gegenübersteht, wird sich an „Guten Morgen, liebe Sonne“ erfreuen.
Einen kleinen Beigeschmack hat der Film leider auch. Es heißt zwar in der Imagewerbung von Baden-Württemberg: Wir können
alles. Außer Hochdeutsch. Aber wer wie Katrin angeblich aus Freiburg kommt, der schwäbelt net so. Das war leider ein Griff
auf die falsche Seite des Schwarzwaldes.
In Hoffnung auf verantwortungsbewussten Umgang könnte ich mir vorstellen, meine Kinokarte von 8,70 Euro gegen eine Flasche
Wodka von 12,90 Euro oder 3 Packungen Blasenpflaster im Gesamtwert von 14,85 Euro zu tauschen. Für die neusten
Nike-Turnschuhe reicht das Geld wieder mal nicht.